Systems Thinking
Systeme verstehen

Quellen

Hier einige Tipps für alle, die sich intensiver mit dem Systemdenken befassen wollen. Dies ist eine rein persönliche Auswahl der Quellen, die meine Lernreise inspiriert, bereichert und geleitet haben. Mein großer Dank an alle Vor-, Nach-, und Systemdenker*innen!


Videos

Hier ein paar interessante Videos, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven etwas über Systeme vermitteln.

Systemdenken 1: Dieses Video einer ungarischen Designergruppe bietet eine kurze (4:45), aber wirklich charmante Einführung in die wichtigsten Konzepte des Systemdenkens, verpackt in eine kreativ animierte Geschichte von der ersten Liebe bis zur Kindererziehung. Das Projekt wurde von Pionieren des Systemdenkens wie Dennis Meadows inspiriert und unterstützt.


Werte: Simon Sinek, bekannt durch die "why-how-what" Formel, spricht in diesem  inspirierenden TED Talk (17 Min.) über das, was jedes soziale System (Familien, Nachbarschaften, Firmen, Nationen, Religionen ...) im Innersten verbindet: "they believe, what we believe." Gemeinsame Ziele, Überzeugungen oder Werte sind der Konsens, der jedes soziale System zusammenhält und sein Verhalten steuert.


Ignoranz: Der schwedische Arzt und Statistik-Experte Hans Rosling zeigt in diesem unterhaltsamen TED-Talk (19 Min.) und einem Live-Test, dass so gut wie alle "gebildeten" Menschen ein veraltetes Weltbild haben. Unsere mentalen Modelle verhindern, dass wir die raschen Veränderungen unserer Welt realistisch wahrnehmen. Den Gapminder-Test sollte Jede*r mal gemacht haben ...

Ökologie: 70 Jahre lang waren Wölfe im Yellowstone Nationalpark ausgerottet. 1995 wurden wieder einige Tiere dort angesiedelt. Das vom britischen Öko-Journalisten Georges Monbiot wunderbar erzählte Video (4:30) zeigt, wie eine einzige Intervention in das Ökosystem nicht nur die örtliche Tier- und Pflanzenwelt wesentlich bereichert, sondern inzwischen sogar den Lauf von Flüssen verändert hat.

 

Gesellschaft: Während Deutschland über Diesel-Fahrverbote und blaue Plaketten diskutiert, hat Stockholm sein Verkehrssystem über eine City-Maut in den Griff bekommen. Verkehrsplaner Jonas Eliasson erklärt in diesem unterhaltsamen TED Talk (8:30), warum die Stockholmer Bevölkerung damit kein Problem hat.

 

Kognition: Der britische Neurowissenschaftler Anil Seth zeigt in diesem Video (17:00) sehr anschaulich, wie sich unser Gehirn seine eigene Wirklichkeit erschafft. Die Realität als permanente Halluzination? Klingt strange,  ist aber eine erstklassige Zusammenfassung, wie unser Denken eigentlich funktioniert. Oder: Konstruktivismus für Eilige.

 

Change: Der Organisationspsychologe Peter Kruse, einer der einflussreichsten Systemdenker Deutschlands und ein Pionier der Schwarmintelligenz, ist leider 2015 viel zu früh verstorben. Ich hatte das große Privileg, mehrere Forschungsprojekte mit ihm und seinem Unternehmen zu realisieren. In diesem Video (6:00) geht es um die wahren Herausforderungen bei unternehmerischen Veränderungsprozessen.

Auch klasse: Seine Ausführungen, wie Menschen auf wachsende Komplexität reagieren und wie man in Märkten und anderen sozialen Systemen Resonanz erzeugen kann. 


Systemdenken 2:  Peter Senge, einer der Pioniere des SystemsThinking, spannt in diesem Vortragsvideo (41:30) den ganz großen Bogen von den ersten Anfängen am MIT in den 1950er Jahren bis zur heutigen Bedeutung des Systemdenkens in einer digitalen Welt.




Presencing: C. Otto Scharmer ist quasi der Nachfolger von Peter Senge am MIT. Seine Theory U ist eine neue Stufe in der Entwicklung des Systemdenkens, die weit über das Denken hinausgeht. In diesem Vortrag zeigt er, warum  man sich für neue Arten der Wahrnehmung öffnen sollte, und wie das Presencing funktioniert, eine Art intuitive Wahrnehmung künftiger Realitäten und Möglichkeitsräume.




Websites und Tools

Die einfachste Art, Systemmodelle zu erstellen und spielerisch zu erlernen ist das Online-Tool "Loopy" des wunderbaren Designers  Nicky Case. Nicky verpackt viele anspruchsvolle Themen in lustige, intelligente, kreative Online-Spiele. Toll ist auch sein Spiel zur Theorie der sozialen NetzwerkeWenn du verstehen willst, warum sich manche Öko-Systeme erst gar nicht verändern und dann plötzlich umkippen können,  ist sein Lernspiel über Attraktoren-Landschaften genau richtig.

Für die Designerin Leyla Acaroglu ist Design ein Weg um die Welt zu verändern. Mit viel Intelligenz und kreativer Leidenschaft überträgt sie ihre Ideen in Lern-Konzepte wie die "Unschool" eine Online-Schule für disruptives Design, die neben Systems Thinking noch viele andere tolle Kurse anbietet, z.B. zur Circular Economy. Auch ihre Vortragsvideos auf YouTube sind ebenso charmant wie inspirierend.

kumu.io bietet ein kostenloses Tool, um komplexe Systeme  grafisch anspruchsvoll zu visualisieren . Das ist in Sachen Usability, Optik, Geschäftsmodell und vom zugrundeliegenden Denken her zeitgemäßer als klassische Modellierungs-Software wie Vensim oder der iModeler, die allerdings hervorragende analytische Möglichkeiten bieten. 

The Systemsthinker.com bietet kostenlosen Zugriff auf fundamentale Papers und praktische Guides der US-Systemdenker rund um Peter M. Senge und seiner Mitstreiter. Diese Seite und der Pegasus-Verlag sind eminent wichtige Quellen für die praktische Arbeit mit System-Archetypen.

Viele interessante Infos und Artikel rund um die Neurowissenschaften liefert die Website dasgehirn.info


Systemdenken / System Dynamics

Donella H. Meadows. Die Grenzen des Denkens. Dies Buch ist nach meiner Ansicht die beste Quelle der Inspiration und Information über Systemdenken. Leicht zu lesen, aber viel zu denken. Leider ist Donella Meadows 2001 gestorben. Sie war Co-Autorin des Öko-Klassikers „Die Grenzen des Wachstums“ und ist vor allem in den USA bis heute eine der einflussreichsten Systemdenkerinnnen. Die deutsche Ausgabe ist vergriffen, aber noch als eBook im Buchhandel erhältlich. Über Amazon ist nur das Original erhältlich: Thinking in Systems.

Daniel H. Kim. Introduction to Systems Thinking. Daniel H. Kim ist Mitbegründer des MIT Center for Organizational Learning und des Verlags Pegasus Communications, in dem viele hilfreiche Papers zum Systemdenken veröffentlicht wurden. Die 19-seitige Einführung ins Sytemdenken kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Peter M. Senge. Die fünfte Disziplin. Peter M. Senge lehrte an der Sloan School of Management des MIT. Er hat die Erkenntnisse der Systemforschung auf die Organisationsentwicklung übertragen. Das weltweit beachtete Buch ist ein Plädoyer für die „lernende Organisation“, die insgesamt fünf Disziplinen beherrschen soll. Das Systemdenken ist die "fünfte Disziplin", die alles andere verbindet. Er hat die Systemarchetypen erforscht und eingeführt. 

Frederic Vester: Die Kunst vernetzt zu denken. Der deutsche System-Pionier und Mitglied des "Club of Rome" stellt in seinem letzten Werk eine Vielzahl von Ideen und Werkzeugen für einen neuen Umgang mit Komplexität vor.

Hartmut Bossel: Systeme, Dynamik, Simulation. Wer sich für die Modellierung und Computersimulation von Systemen interessiert, findet hier eine fundierte Einführung in den quantitativen Bereich der Systemdynamik. Um das  zu genießen, sollte man Spaß an Simulationen und keine Angst vor etwas Mathematik haben. Dann aber kann das Thema leicht Sucht erzeugen, vor allem in Verbindung mit dem dreibändigen Systemzoo, einer Sammlung von 100 Simulationsmodellen, die man mit geeigneter Freeware am eigenen PC zum Leben erwecken kann.

Fritz B. Simon: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus. Wenn man  das schmale Buch mit gut 100 Seiten durchgearbeitet hat, versteht man die enorme Bedeutung dieses Theoriegebäudes (und kann die durchaus anspruchsvolle Lektüre seiner Vordenker wie Bateson, Luhmann oder Maturana ohne schlechtes Gewissen auf einen geeigneten Zeitpunkt verschieben). Auch interessant: Sein Buch Einführung in die systemische Organisationstheorie.

 C. Otto Scharmer: Essentials der Theory U. Wer eines von Scharmers Videos gesehen  oder an einem seiner Workshops teilgenommen hat, findet in diesem Buch eine kompakte Zusammenfassung seiner Konzepte zum "Führen von der Zukunft her". Hier gibt es einen kostenlosen Online-Kurs dazu.

Fritjof Capra: Wendezeit. Mit seinem 1982 erschienen Buch wurde systemisches Denken wohl zum ersten Mal im deutschen Sprachraum populär. Eine weitsichtige und umfassende Kritik des abendländischen naturwissenschaftlichen Denkens und ein fundiertes Plädoyer für eine neue Systemsicht des Lebens. Dabei bezieht er viele Anregungen aus dem fernöstlichen Denken wie dem Taoismus oder dem I Ging ("Buch der Wandlungen") als einer Systemsicht, die einen ganz anderen kulturellen Hintergrund hat.


Kognitionspsychologie / Verhaltensökonomie / Entscheidungstheorien

Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen. Der renommierte Kognitionspsychologe zeigt, warum Menschen in komplexen Situationen oft fehlerhafte Entscheidungen treffen. Eine große Hilfe für Politiker, Manager, Kapitäne und Projektleiter, die weitreichende Entscheidungen treffen müssen, aber keine Zeit und wenige Informationen haben.

Nassim Nicholas Taleb: Der Schwarze Schwan. Der Broker, Essayist und Skeptiker Taleb war einer der ersten, der den Börsencrash 2008 medientauglich erklären konnte: Selbst hochbezahlte Broker und Finanzmathematiker können nicht richtig mit Wahrscheinlichkeiten umgehen. Seine Gedanken zur unterschätzten Rolle des Zufalls im Buch Narren des Zufalls sind ebenso unterhaltsam wie erhellend. In Antifragilität entwickelt er Konzepte, um uns die Ungewissheit und Instabilität unserer Umwelt zunutze zu machen (Resilienz).

Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition und Risiko! Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. Während die Nobelpreisträger Kahneman, Tversky und Thaler das unbewusste Denken eher unter dem Aspekt der Denkfehler betrachten, plädiert der deutsche Psychologe und Bildungsforscher Gerd Gigerenzer ebenso fundiert wie leidenschaftlich dafür, dass wir unserer Intuition vertrauen und sie gezielt verbessern sollten, weil wir in einer ungewissen Welt ohne intuitive Intelligenz völlig aufgeschmissen wären.

David Pinker: Wie das Denken im Kopf entsteht. Auch ich dachte lange, dass der menschliche Geist doch etwas Einmaliges sein muss und unsere Kultur über dem profanen "survival of the fittest" der natürlichen Selektion steht. Wirklich? Dieses lesenswerte Buch erklärt das Denken, indem es auf virtuose Art Konzepte der Kognitionsforschung, Evolutionsbiologie und Computertheorie verknüpft.  Ich finde die Perspektive der Evolutionspsychologie sehr hilfreich, um das Wesen des Denkens, der Intuition und der Emotionen besser zu verstehen.    

Nicholas Christakis und James Fowler: Connected. Soziale Netzwerke spielen in unserem Leben eine weitaus größere Rolle als uns bekannt ist. Das Buch stellt eine Vielzahl  überraschender Forschungsergebnissen an der Schnittstelle zwischen Soziologie und  Netzwerktheorie vor.  Bekannt ist Milgrams Gesetz, nachdem jeder Mensch über 6 Schritte mit jedem anderen Menschen verbunden ist. Allerdings endet unser Einfluss auf andere Menschen meist schon nach 3 Schritten. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dein Lebenspartner*in nur zwei Schritte von dir entfernt, etwa als Freundin oder der Freund eines Freundes.

Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken. Der Klassiker der Verhaltensökonomie: Dem Psychologie-Professor Kahneman wurde 2002 der Wirtschafts-Nobelpreis verliehen, weil er unzählige Heuristiken und kognitive Verzerrungen nachgewiesen hat – typische Denkfehler selbst klügster Menschen. Damit hat er das Konzept des „Homo Oeconomicus“ endlich vom Thron gestoßen. 

Daniel Goleman hat Anfang der 1990er Jahre mit seinem Buch "Emotionale Intelligenz" die Emotionen rehabilitiert. In Soziale Intelligenz zeigt er, dass unser Denken nicht im sozialen Vakuum stattfindet, sondern nur verständlich wird, wenn wir auch unser soziales Umfeld einbeziehen.

Richard H. Thaler und Cass R. Substein: Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt. In ihrem populären Buch zeigen sie, wie leicht  die Politik die Menschen zu klügeren Entscheidungen „anstupsen“ könnte, etwa im Bereich der Gesundheits- und Altersvorsorge. Der Verhaltensökonom Thaler hat 2017 den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten.

Rolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens und Die Kunst der richtigen Entscheidung. Die „Light-Version“ der von Kahneman etc erforschten Denkfehler. Leicht konsumierbar, mit klarem Management-Bezug und daher ein Beststeller. Ein guter Einstieg in die Verhaltensökonomie. 


Kommunikation / Coaching / Neurowissenschaften

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Die Methode der GFK hilft dir dabei, dein Gegenüber und dich selbst  im Moment der Kommunikation besser zu verstehen und Mißinterpretationen zu vermeiden. Durch den Fokus auf der Empathie für eigene und fremde Bedürfnisse ist GFK eine authentische Kommunikationsform und eine gute Methode, Konflikte zu lösen.

Joseph O‘Connor: NLP Workbook. Wer die Konzepte der Neuro-Linguistischen-Programmierung kennenlernen will, ist mit diesem Workbook gut bedient. NLP bietet viele Einsichten und Techniken zur Manipulation des Denkens durch Sprache und Kommunikation.  

Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden. Das  Standardwerk der Kommunikationspsychologie hat wahrscheinlich unzählige zwischenmenschliche Katastrophen verhindert. Oder zumindest im Nachhinein erklärt, warum das Gemeinte, das Gesagte, das Gehörte und das Verstandene oft so wenig miteinander zu tun haben.

Maja Storch: Wer die Systemtheorie auf das soziale Leben, das Verhalten von Teams und Familien oder die individuelle Entwicklung anwenden will, muss sich intensiv mit dem systemischen Coaching befassen. Ich persönlich bin ein großer Fan der Arbeit von Maja Storch. Sie veröffentlicht nicht nur sehr fundierte "Ratgeber-Literatur", sondern betreibt gemeinsam mit Experten wie Gerald Hüther auch ambitionierte Forschung, etwa am Konzept des Embodiment, mit dem sich psychische und körperliche Prozesse gezielt gestalten lassen.

Walther Cormann: Selbstorganisation als kreativer Prozess. Mein Coaching-Mentor hat hier seine jahrzehntelange Erfahrung zu einem Leitfaden der systemischer Therapie und des systemischen Coachings verdichtet. Das Buch bietet auf einem soliden theoretischen Fundament viele erprobte und kreative Coaching-Methoden.

Frank Baumann-Habersack: Führen mit transformativer Autorität. In der VUKA Welt kommen klassische Führungsstile ständig an ihre Grenzen. Agile Teams arbeiten zunehmend selbstorganisiert, und Führung wandelt sich vom Management zum Enabling und zur Konfliktlösung.

Chris Frith: Wie unser Gehirn die Welt erschafft. Ein wirklich lesenswertes Buch über unsere Wahrnehmung, dabei auch noch mit einer schönen Prise britischen Humors gewürzt. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, war mein Denken nicht mehr dasselbe wie vorher.

Joachim Bauer:  Der renommierte deutsche Hirnforscher verdeutlicht in Büchern wie Warum ich fühle, was du fühlst oder Wie wir werden, wer wir sind  oder Das empathische Gen, warum Resonanz-Phänomene wie Feedback oder Empathie in unserem sozialen Leben und für unser Glück eine viel größere Rolle spielen als der Konkurrenzkampf, der lange zur Natur des Menschen verklärt wurde.

Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen. Kann ein über 40 Jahre altes Buch über Hirnforschung noch aktuell sein? Wenn es so viel Erhellendes über das Lernen enthält wie dieses Buch vom Vater des „kybernetischen Denkens“ - unbedingt.